Die Weichen sind gestellt

Am 20. März 2022 wird in den rund 3.000 österreichischen Pfarren wieder gewählt. Eine Wahl, die mit dem Wahltag abgeschlossen wird, aber schon viel früher Wirkung zeigt. Rund zweieinhalb Monate vor diesem Wahltag gilt es, ein erstes Stimmungsbild in den Pfarren und Pfarrgemeinderäten einzufangen. Ein Stimmungsbild, das durch die Ergebnisse einer Umfrage unter den rund 28.000 gewählten PfarrgemeinderätInnen ergänzt wird.
KandidatInnen finden
Eine Erfahrung, die während der Vorbereitung zur Wahl in vielen Pfarren gemacht wird: Es waren rund 120 Personen, die ein amtierender Pfarrgemeinderat in den letzten Wochen angesprochen hat. Sieben davon haben ihm für eine Zusammenarbeit zugesagt. Von 113 kamen „Absagen“. Man ist aber trotzdem zufrieden und glücklich. „Ich hatte 120 herzliche, kritische, spannende, und vor allem bereichernde Gespräche. Gespräche, die ich ohne die Wahl nicht geführt hätte. Ich bin mit Menschen ins Gespräch gekommen, mit denen ich sonst kaum in Kontakt war, ich konnte mit ihnen über Glaube, Kirche, Christsein und Engagement sprechen. Für uns im Pfarrgemeinderat ist die Wahl schon jetzt ein Erfolg“, wird eine der Pfarrgemeinderätinnen zitiert.
Dieses Beispiel zeigt ein wichtiges Wirkungsfeld der Pfarrgemeinderatswahl. Der Prozess der KandidatInnen-Suche ist ein ebenso wichtiger Faktor, wie die damit verbundene Erneuerung in den Gremien. Wie groß diese Herausforderung ist, zeigen auch die Ergebnisse einer österreichweiten Umfrage. In den knapp 3.000 Rückmeldungen wird die große Bedeutung, möglichst viele Menschen in die Gestaltung des Pfarrlebens miteinzubeziehen, betont. Sieben von zehn der Befragten sehen die Öffnung auf die Pfarrbevölkerung - einzelne Menschen, Gruppen und verschiedene „Lagern“ zu vernetzen - als eine wichtige Aufgabe und auch als die größte Herausforderung.
„Der Pfarrgemeinderat ist ein wichtiger Spiegel unserer Gesellschaft. Wenn es gelingt, die Vielfalt an Weltbildern, Talenten und Zugängen zu Glaube und Spiritualität der Pfarrgemeinde abzubilden und zu integrieren, dann gelingt auch die Brücke von der Kirche zu den Menschen in der Pfarrgemeinde“, so Klaudia Achleitner, Geschäftsführerin der Konferenz der Österreichischen PfarrgemeinderatsreferentInnen. Das ist eine besondere Herausforderung, vor allem in Pandemie-Zeiten durch Lockdowns, Abstand halten und dem Tragen von Masken.
Pfarrgemeinderatsarbeit in Zeiten von Corona
Corona hat nicht nur im gesellschaftlichen Leben, sondern auch im Wirken der PfarrgemeinderätInnen zu tiefgreifenden Veränderungen geführt. Hier lohnt sich ebenfalls ein Blick in die Umfrage. 56% geben an, dass sie coronabedingt Neues in der Begegnung, Verkündigung und Liturgie ausprobiert haben. Wie in anderen Lebensbereichen mussten auch im pfarrlichen Leben neue Lösungen entwickelt werden. „Gerade in dieser Phase ist es für die vielen PfarrgemeinderätInnen eine doppelte Herausforderung, mit Menschen in Kontakt zu kommen“, schildert Klaudia Achleitner. Nicht nur die fehlende Kontaktmöglichkeit, auch die Gräben durch „Corona-Maßnahmen und Impfpflicht“ werden in den Gremien spürbar. Der Austausch über den Glauben und Gott, spirituelle Themen oder gemeinsame Projekte in den Pfarren lasse über das Trennende hinweg das Gemeinsame in den Vordergrund stellen.
PfarrgemeinderätInnen sind in der Zeit der Wahlvorbereitung für Kirche und Gesellschaft wichtige BrückenbauerInnen. „Eine Chance, die wir nutzen, indem wir die PfarrgemeinderätInnen in dieser wichtigen Aufgabe in den Diözesen bestmöglich unterstützen werden“, ergänzt der in der Bischofskonferenz für Pfarrgemeinderäte zuständige Kärntner Diözesanbischof Josef Marketz.
Balance der Aufgaben notwendig
PfarrgemeinderätInnen empfinden die Dringlichkeit des unmittelbaren Planens und Organisierens des pfarrlichen Lebens als zentralste Aufgabe. Dadurch bleibe oft nur wenig Zeit und Energie für Innovation und Strategisches. Aufgaben wie z.B. das Ansprechen neuer Zielgruppen, die Entwicklung innovativer Ideen oder auch das interne Teambuilding und die Entwicklung einer guten Arbeitskultur brauchen Zeit und eine professionelle Herangehensweise. Für den Großteil der Mitglieder im Pfarrgemeinderat ist – ganz im Sinne neuerer Untersuchungen zum Thema “Ehrenamt” - eine solche professionelle Arbeitskultur wichtig. Ebenso wichtig für die Zufriedenheit ist das Umsetzen von Projekten, ein zielgerichtetes Arbeiten unter einer guten Leitung. Das betrifft auch inhaltliche Themen der Seelsorge und Pastoral. Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage unter Pfarrgemeinderäten aus dem Jahre 2009.
Rolle der Kirche: Rahmen schaffen
Rund 85% aller Befragten sprachen sich für eine zeitgemäße Gestaltung von Kirche vor Ort aus. „Wir haben in Österreich eine große Vielfalt an Pfarren. Jede ist einzigartig und muss deswegen auch für sich eine Definition von „zeitgemäß“ finden. Die Kirche als Institution hat hier sicher noch zu oft eine Schablone vorgegeben. Von diesen starren Vorstellungen müssen wir uns mehr und mehr lösen. Für das Neue gilt es, einen klaren Rahmen zu setzen. Innerhalb dieses Rahmens können wir auf die Lösungsbegabung der vielen ehren- und hauptamtlichen MitarbeiterInnen bauen“, zeigt sich Referatsbischof Marketz überzeugt.
Dabei ist die Grenze zwischen einem ehrenamtlichen Engagement in der Pfarre und der Mitgliedschaft im Pfarrgemeinderat besonders im Hinblick auf pastorales und seelsorgliches Wirken neu zu beurteilen. Dem Pfarrgemeinderat kommt die Rolle der Organisation und Koordination unbestritten zu. Das zu Leistende reicht oft über das Gremium und seine bisherigen Kompetenzen hinaus. Das bringt den Pfarrgemeinderat in eine leitende Position, die strukturell in den diözesanen Statuten noch nicht ausreichend verankert ist.
Blick voraus
Nun liegt der Fokus darauf, Personen für eine mögliche Kandidatur anzusprechen. Es gehe darum, das Gremium personell gut aufzustellen und die Personen zu gewinnen, die uns jetzt noch fehlen. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre wird sichtbar, dass mit jeder Wahl bis zu 50% neue Personen hinzugewonnen werden konnten. Die Wahl ist eine Chance für das Gewinnen neuer Talente, Sichtweisen und Fähigkeiten. Dieses Potenzial ist der Motor für die Transformation zu einer zeitgemäßen Kirche. Unverändert wichtig für die Zukunft der Kirche ist, junge Menschen anzusprechen und zu gewinnen. In der Befragung sehen die unter 30-Jährigen das zentrale Anliegen darin, Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Das ist für die Altersgruppe selbst ein großes Thema und somit eine Chance, die von den Pfarrgemeinderäten wahrgenommen werden sollte.